Historisch betrachtet gehörte das Amt Neuhaus die meiste Zeit zu dem was einmal Niedersachsen werden sollte: zum Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, dann zu Sachsen-Lauenburg, später zum Kurfürstentum und darauf zum Königreich Hannover. Bis zum 2. Weltkrieg war es Teil der preußischen Provinz Hannover mit dem Landkreis Lüneburg, vor 1932 noch des Kreises Bleckede.
Also gehörte es eigentlich immer zu dem Gebiet auf der anderen Elbseite. Oder floss die Elbe früher anders? Fest steht, dass bereits im Mittelalter friesische Deichbauer das Elbetal bewohnbarer gemacht haben, indem sie die Elbe in ihr heutiges Bett drängten. Preten übrigens scheint seine Gründung (und den slawischen Namen) einer Furt zu verdanken, die den Fluss kreuzte, der heute die Sude ist.
Doch zurück in die Neuzeit: amerikanische Truppen landeten Ende April 1945 bei Bleckede am rechten Elbufer und schlugen die letzte Abwehr der Wehrmacht zurück; als Besatzungsgebiet wurde das Amt Neuhaus dem britischen Oberbefehl untergeordnet. Als die britischen Befehlshaber aber die rechtselbische Lage und die fehlende Brücke als schwierig erfuhren, kam es zum Flächenaustausch mit den sowjetischen Besatzungstruppen. So kam das Amt Neuhaus zur sowjetischen Besatzungszone und ging als Teil des Kreises Hagenow in der Deutschen Demokratischen Republik auf. Dementsprechend war es im Zuge von Wende und Wiedervereinigung Beitrittsgebiet im bald neu bzw. wieder errichteten Land Mecklenburg-Vorpommern.
Es war wohl die Erinnerung an die Zeit vor dem Krieg, vielleicht auch die vermeintliche Aussicht auf schnelle Westangleichung und eine Elbbrücke, die die Gemeindevertretungen der damals sieben Gemeinden des Amtes Neuhaus zum jeweiligen Beschluss veranlasste, die Rückgliederung nach Hannover (inzwischen Niedersachsen), d. h. Zum Landkreis Lüneburg zu beantragen. Tatsächlich wurde dann 1993 das Amt Neuhaus per Staatsvertrag mit Mecklenburg-Vorpommern dem Land Niedersachsen angeschlossen. Als einziges Gebiet der ehemaligen DDR, das einem der „alten Bundesländer“ zugeordnet wurde. Das macht Preten also einzigartig und eben nicht so leicht einzuordnen.
Soviel in aller Kürze die Vorgeschichte. Wir sind also in Preten in Niedersachsen, auch wenn MecPomm nur wenig mehr als einen Kilometer entfernt ist und die Pretener, wie alle Neuhauser mindestens so starke Beziehungen nach Boizenburg, Hagenow und Schwerin wie nach Lüneburg und Bleckede haben.
Wessis aus Sicht der Hagenower, Ossis aus Sicht der Lüneburger – das sind die Neuhauser, also auch die Pretener!
Terra Preten – gut leben im naturnahen Dorf
Terra preta, der Name für eine Art Komposterde, die hohe Fruchtbarkeit aufweist und von Anhängern der Permakultur verwendet wird. Die Erde um Preten ist meist sandig und wenig fruchtbar aber die Pretener machen etwas daraus. Es sind viele, die in ihren Gärten Obst und Gemüse anbauen und dabei eigentlich Bio-Standard folgen. Gegenseitige Gartentipps und Austausch sind geeignet, altes und neues Gartenwissen zu erhalten, ebenso übrigens wie es die Tierhalter der Arche Region mit der Haltung bedrohter alter Haustierarten tut.
Es sind auch die vielen Lebensmittelskandale und bekannten Missstände bei der Erzeugung und Vermarktung sogenannter Lebensmittel, die die Menschen bestärken, nach ehrlich erzeugter und gesunder Nahrung zu suchen oder sie gleich selbst herzustellen.
Die Schäferei Seebürger als der Landwirtschaftsbetrieb des Dorfes geht diesen Weg konsequent und findet seit ihrer Ansiedlung Anfang der neunziger Jahre Rückhalt bei allen Pretenern. Der Betrieb von Klaus Seebürger erzeugt Fleisch durch extensive Bewirtschaftung vorwiegend von Grünflächen rund um Preten, in den Niederungen von Sude und Krainke. Neben Rindern vermarktet der Betrieb Lammfleisch und inzwischen auch Fleisch von Wasserbüffeln und Ziegen im Direktverkauf. Das ist regional und nachhaltig erzeugtes Fleisch erster Güte, ohne dass bisher Zertifikate oder Gütesiegel im Vordergrund stehen. Auerochsen (versuchte Rückzüchtung) gehören auch zu den vom Betrieb Seebürger gehaltenen Tieren wie Esel, die als Haustiere Abnehmer finden.
Erhalt des naturnahen Lebensraumes, die Erzeugung regionaler Produkte aus nachhaltiger Landwirtschaft und der Hochwasserschutz sind Ziele des Betriebes. Im Naturschutz arbeitet die Schäferei Seebürger, z. B. beim Schutz von Wiesenbrütern mit der Biosphärenreservatsverwaltung zusammen, auch wenn nicht immer Zielkonflikte zu vermeiden sind.
Dies gilt auch für die Dorfgemeinschaft, die sich seit dem ersten „Jahrhunderthochwasser“ 2002 intensiv für den Hochwasserschutz des Dorfes und der Landwirtschaft im Rückstaubereich der Elbe, an Sude und Krainke einsetzt.
Mit dem Arbeitskreis Natur und Kultur wurden u. a. gelbe Schilder im Dorf aufgestellt, die auf die Not- wendigkeit des Deichschutzes und des Erhalts von Möglichkeiten zur gesteuerten Flutung von Polder- flächen hinweisen. In der Umsetzung einzelner Maßnahmen sind die Interessen der Biosphären-reservatsverwaltung und der Stork Foundation damit nicht immer einfach zu vereinbaren.
Für die Pretener steht im Zweifelsfall der Schutz des Dorfes und seines nachhaltig landwirtschaftlich genutzten Umfeldes im Vordergrund. Die naturnahe Landwirtschaft des Betriebes Seebürger passt gut zu der attraktiven Landschaft und der Einstellung der Dorfbewohner.
Die Pretener haben sich im Verein Dorfgemeinschaft Preten e.V. organisiert, durch den unter anderem der Pavillon im „Kutschergarten“ errichtet wurde, der Gästen und Bewohnern einen Treffpunkt mit Sitzgelegenheit und Wetterschutz bietet.
Der Verein pflegt Traditionen wie den „Pfingstkerl“ und offene Begegnungen der Dorfbewohner, wie mit der monatlichen „Samstag 17 Uhr – Bank“.
In den Sudewiesen hat sich die Stiftung Stork Foundation mit der Haltung von Auerochsen und „Wildpferden“ (Koniks) in dem Sudewiesen-Projekt für den Schutz der wiesenbewohnenden Tier- und Pflanzenwelt engagiert und betreibt mit dem Storkenkaten einen Informations- und Forschungsstützpunkt.
Die Umsetzung eines historischen Fachwerkhauses für diese Nutzung hat das Ortsbild Pretens und dessen Bekanntheit erheblich aufgewertet.
Daneben ist Preten durch Bauwerke aus „Kaisers Zeiten“ geprägt: das „Schloss“, ein Herrenhaus aus dem neuzehnten Jahrhundert, der Reitstall, der Schlosspark sowie ein eher städtisch wirkendes Wohngebäude stehen für diese Zeit.
Dies gilt auch für das Ensemble aus Bahnhof und Eisenbahnbrücke von 1912 etwas außerhalb des Ortes, das etwa zu den „Tagen der Industriekultur am Wasser“ der Metropolregion Hamburg auf Interesse stößt,
Die denkmalgeschützte Eisenbahnbrücke ist begehbar, da sie beim Hochwasser 2002 der einzige Weg war, auf dem das bedrohte Vieh der Schäferei Seebürger evakuiert werden konnte; dies jedoch nur durch den spontanen Tag und Nacht – Einsatz mit vielen Freiwilligen, die auf dem Stahlgerüst eine schmale Fahrbahn und Geländer aus Stahl und Holz bauten.
Der erstaunlich kleine Bahnhof inzwischen als „Café Schwarzes Schaf“ eine beliebte Ausflugsgastronomie bietet. Hier erwarten den Gast neben den gerühmten Torten auch kleine Gerichte mit Fleisch aus der Schäferei. Bahnhof und Brücke, von der aus auch die Aktivitäten des Bibers zu sehen sind, liegen an dem Radweg Brahlstorf – Neuhaus, der auf dem alten Bahndamm errichtet wurde und attraktive Sicht auf Wiesen und Dünenwald bietet.
Im Amt Neuhaus und dessen touristischem Angebot gilt Preten als einer der Schwerpunkte, neben dem Marschhufendorf Konau oder dem Elbdorf Stiepelse.
Preten jedenfalls gibt es nur einmal, ein Fleckchen Erde zum Leben.